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Parallele Welten

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Parallele Welten
Berlin, New York, Sidney, Istanbul, Kairo, Toronto, Caracas, Sao Paulo, Moskau. Meine Freunde sprechen englisch, fast alle haben mehr oder weniger lange im Ausland gelebt. Wir sehen die selben Filme, reden über die selben Bücher, hören ähnliche Musik. Wohin ich komme, überall treffe ich auf diese Leute. Wir sind alle Touristen. Daneben, wie durch eine Glasscheibe getrennt, eine parallele Welt. Ich habe sie vor zwei Jahren bei einem Besuch im Münchner Hofbräuhaus bemerkt. Das Hofbräuhaus ist ein Touristenmagnet. Japanische, holländische, russische, italienische, spanische, französische, amerikanische Touristengruppen kreischen, wenn sie 1-Liter-Krüge Bier vor sich auf den Tisch gestellt bekommen. Blitzlichter spritzen, wenn Schweinshaxen mit Kartoffeln gebracht werden. Die Leute, die in der Küche arbeiten, sehen aus, als kämen sie aus Indien, Pakistan oder Bangladesh. Die Kellner haben einen tschechischen Akzent.

Und dann sitzt da, alleine, an einem Tisch in einer Ecke, ein Bayer hinter seinem Schweinebraten und seinem Bier und schaut grantig. Zuerst denke ich, er ist nicht echt, und beobachte ihn eine Weile. Und siehe da, er bewegt sich.

Ich bin auch Bayer. Zwar lebe ich seit 15 Jahren in Berlin aber einen richtigen Bayern kann ich immer noch erkennen. Es muss ein besonders stoisches Exemplar sein, dass hier sitzt und erträgt, dass die Musikkapelle alle 15 Minuten “Ein Prosit der Gemütlichkeit” spielt.

Die Galata-Brücke ist auch ein Touristen-Magnet. “Kein Besucher war in Istanbul, ohne über die Brücke gegangen zu sein”, sagt Osman Yilmaz, der Friseur auf der Brücke. Ein ständiger Strom von Touristen fließt über die Brücke, vorbei an den Anglern, den Essens-Verkäufern die mit ihren kleinen Wägen, vorbei an den Kellnern vor den Restaurants in der unteren Etage. Alle die, die zur Brücke gehören, die Angler, die Händler, Kellner, die Wachleute, sie sind wie Felsbrocken in einem Fluss, bleiben fast gänzlich unverändert. Mitten im Strom stehen die Kellner, die vor den Restaurants nach Kunden fischen. In gebrochenem Englisch, Russisch, Deutsch, Französisch, Spanisch.

Ich habe eine Freundin in Spanien, in Deutschland, in Norwegen, in Kanada und in den USA. Çiğdem Ürer ist 24, er abreitet seit 2 Jahren als Kellner auf der Galata-Brücke. Er träumt. So wie ich auch manchmal träume, wenn ich irgendwo in meinem Hotelzimmer liege und mein internationales Leben bewundere.


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